Nicht alle Menschen mit Hämophilie haben die gleichen Beschwerden

Eine Sache haben alle Menschen mit Hämophilie gemeinsam: Ihnen fehlen kleine Eiweißverbindungen im Blut (die so genannten Gerinnungsfaktoren), die bei einer inneren oder äußeren Verletzung dazu beitragen, dass die Blutung gestoppt wird (siehe Angeborene Hämophilie). Deshalb dauert es bei Hämophilie länger, bis eine Blutung aufhört zu bluten (siehe Blutgerinnung). Aber obwohl alle Menschen mit Hämophilie das gleiche Grundproblem haben (zu wenig Gerinnungsfaktoren), haben nicht alle die gleichen Symptome. Manche merken selten oder nur manchmal, dass sie eine gestörte Blutgerinnung haben. Andere erleben, dass der Körper selbst bei wenig Belastung einfach so, also spontan, zu bluten anfängt – und nicht mehr aufhört. Wie kommt dieser Unterschied zustande?

Die Restaktivität macht den Unterschied

Die unterschiedlichen Beschwerden lassen sich so erklären: Bei manchen Menschen mit Hämophilie kann der Körper zumindest noch etwas aktiven Gerinnungsfaktor selbst herstellen. Wenn auch nicht genug. Bei anderen fehlt selbst diese so genannte Restaktivität. Und ohne die werden die Beschwerden schlimmer.

Verschiedene Schweregrade

Beschwerden bei leichter Hämophilie

Die Einteilung in Schweregrade ist wichtig. Denn je nach Schweregrad der Hämophilie zeigen sich unterschiedliche Beschwerden. Und die machen entsprechende Maßnahmen notwendig. Eine leichte Hämophilie kann lange Zeit unbemerkt bleiben und erst später im Leben bei einem Zahnarztbesuch oder bei einem operativen Eingriff Probleme verursachen. Spontanblutungen kommen selten oder gar nicht vor. Eine leichte Hämophilie macht sich durch blaue Flecken oder anhaltende Blutungen nach Verletzungen bemerkbar. Dabei können Gelenkblutungen entstehen, die unbedingt beachtet werden sollten (siehe Gelenkblutung).

Bei Menschen mit leichter Hämophilie ist es ausreichend, wenn Blutungen im Akutfall – also bei Bedarf – mit Gerinnungsfaktoren behandelt werden.

Beschwerden bei mittelschwerer Hämophilie

Dass eine mittelschwere Hämophilie unbemerkt bleibt, ist relativ unwahrscheinlich. Denn nach Unfällen, Verletzungen und operativen Eingriffen können starke und anhaltende Blutungen entstehen, die unmittelbar behandelt werden müssen. Spontanblutungen sind bei der mittelschweren Form möglich, treten aber eher selten auf.

Beschwerden bei schwerer Hämophilie

Menschen, die unter einer schweren Hämophilie leiden, erleben Blutungen im Körperinnern, die ohne erkennbaren Anlass auftreten. Solche Blutungen entstehen beispielsweise in der Unterhaut und zeigen sich dann als große blaue Flecken. Aber auch die Muskeln, die Gelenke und die Weichteile im Körper können von Spontanblutungen betroffen sein. Bei Gelenkblutungen besteht dabei die Gefahr, dass sich ein so genanntes Zielgelenk entwickelt. Also ein Gelenk, das wiederholt und bevorzugt blutet. Bleiben diese Blutungen unbehandelt, kann das Gelenk dauerhaften Schaden nehmen. Chronische Entzündungen, Knochenschwund und Gelenkversteifungen sind mögliche Folgen. Blutungen im Kopf oder in den Organen sind zum Glück sehr selten. Sie können nach Unfällen auftreten und müssen schnellstmöglich behandelt werden. Auch nach kleineren Verletzungen wie Schnittwunden können bei schwerer Hämophilie langanhaltende Blutungen auftreten, die ärztlich versorgt werden müssen.

Erste Anzeichen für schwere Hämophilie

Meistens machen sich die ersten Anzeichen für eine schwere Hämophilie zwischen dem sechsten und dem zwölften Lebensmonat bemerkbar, wenn Babys aktiver werden und beginnen, ihre Umwelt eigenständig zu erkunden. Auffallend viele Blutergüsse, warme, rote und geschwollene Gelenke, Schonhaltung und anhaltende Blutungen nach kleineren Verletzungen sind Anzeichen, dass etwas nicht stimmt. Manche Babys zeigen auch schon früher Symptome. Zum Beispiel eine auffällige Beule nach der ersten Impfung oder Nabelschnurblutungen bei der Geburt. Ist die Hämophilie einmal erkannt, erleben viele Eltern neben Schmerz und Trauer auch Erleichterung. Denn auch wenn sich die Befürchtung, dass etwas nicht in Ordnung ist, bestätigt hat: Zu wissen, WAS nicht in Ordnung ist, eröffnet viele Handlungsmöglichkeiten. Zum Beispiel die passende Therapie.

Faktortherapie bei schwerer Hämophilie

Menschen mit schwerer Hämophilie erhalten im Rahmen der Faktortherapie prophylaktisch (vorbeugend) Gerinnungsfaktoren. Das heißt, dass sie dauerhaft den fehlenden Gerinnungsfaktor von außen zuführen. Meistens in Eigenverantwortung und von zuhause. So lassen sich Spontanblutungen vermeiden und auch die Blutungen nach Verletzungen fallen deutlich milder aus. Selbst bei schwerer Hämophilie ist mit der passenden Faktortherapie und einer gesunden Lebensweise ein fast ganz normales Leben möglich.

Mehr über die Behandlung der Hämophilie mit Gerinnungsfaktoren erfährst du in dem Artikel Medikamentöse Behandlung.


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