Jede Therapie ist individuell

Vor jeder Therapie steht das ausführliche Gespräch mit deinem Arzt. Denn jeder Körper ist anders. Jeder Mensch lebt anders. Und jeder Mensch hat andere Träume und Wünsche. Deshalb kann es keine Pauschalempfehlungen für die Medikation bei Hämophilie geben. Was dem einen hilft, kann für den anderen weniger passend sein. Wichtig ist, dass akute Blutungen schnellstmöglich behandelt werden. Und je nach Schweregrad der Hämophilie gibt es verschiedene Optionen, um Blutungen vorzubeugen.

Ziel der Hämophiliebehandlung mit Faktorkonzentraten: Einfach ersetzen, was fehlt!

Menschen mit Hämophilie A und B haben zu wenig Gerinnungsfaktoren (VIII (8) beziehungsweise IX (9)) in ihrem Blut. Die Folge: Eine Blutung wird vom Körper bei einer inneren oder äußeren Verletzung nicht gestoppt. Die Behandlung der Hämophilie mit Faktorkonzentraten zielt darauf ab, den fehlenden Gerinnungsfaktors zu ersetzen. So genannte Faktorpräparate werden in Spritzenform verabreicht und enthalten den fehlenden Faktor in konzentrierter Form (Faktor VIII bei Hämophilie A und Faktor IX bei Hämophilie B). So soll die normale Blutgerinnung wiederhergestellt werden. Ziel ist es, Blutungen, Bewegungseinschränkungen und andere Komplikationen, die mit Hämophilie einhergehen können, gar nicht erst entstehen zu lassen.

Selbst behandeln macht unabhängig

Die gute Nachricht vorab: Viele Menschen mit Hämophilie behandeln sich selbst. Zuhause, am Arbeitsplatz, in der Schule, auf Reisen. Das gibt viel Freiheit für die eigene Lebensplanung. Damit diese Heimselbstbehandlung klappt, ist allerdings etwas Übung notwendig. Der fehlende Gerinnungsfaktor muss mit einer Spritze in die Vene verabreicht werden. Am Anfang wird bei Kindern das Spritzen meistens von einem Arzt durchgeführt. Wenn das Kind etwas älter ist, können die Eltern die Behandlung übernehmen. Dafür gibt es spezielle Schulungen. Später kann das Kind das Spritzen selbst erlernen.

Der Alltag mit Hämophilie

Wenn die Therapie gut anspricht, haben Menschen mit Hämophilie heute eine vergleichbare Lebenserwartung wie gesunde Menschen. Auch der Alltag sieht nicht wesentlich anders aus. Familie, Beruf, Sport, Hobbys, Reisen. Alles ist möglich. Die einzige Einschränkung sind Aktivitäten mit hohem Verletzungsrisiko: Boxen oder Kampfsportarten sind bei Hämophilie weniger geeignet. Ansonsten gilt: Sport tut gut. Besonders den Muskeln und Gelenken. Die sind bei Menschen mit Hämophilie anfälliger für Blutungen (siehe Das passiert bei einer Gelenkblutung). Deshalb ist es wichtig, dass du aktiv bleibst und Kraft durch Bewegung aufbaust (siehe Gelenkblutungen vorbeugen).

On-demand-Behandlung von Blutungen

  • Bei leichter Hämophilie

Bei leichter Hämophilie mit selteneren Blutungen ist es meist ausreichend, wenn in Akutfällen ein Faktorpräparat eingesetzt wird. Da der Körper bei einer Verletzung innerhalb von zwei Stunden mit dem passenden Faktor versorgt werden sollte, ist es bei der Therapie nach Bedarf (eng. on demand) entscheidend, dass das Medikament immer in der Nähe ist – selbst wenn es nur selten gebraucht wird. So kann im Fall der Fälle die Blutung schnell gestoppt und das Risiko für Folgeschäden minimiert werden. Bei größeren Blutungen kann es sein, dass eine Injektion nicht ausreicht. Dann muss so lange behandelt werden, bis die Blutung vollständig gestillt ist. Dafür sollte rechtzeitig ein Vorrat an Faktor angelegt werden.

  • Bei schwerer Hämophilie

Auch bei Menschen mit schwerer Hämophilie, die vorbeugend (prophylaktisch) eine Faktortherapie erhalten, kann es bei spontan auftretenden Blutungen notwendig sein, einen zusätzlichen Faktor zu spritzen. Dann sollte unbedingt der behandelnde Arzt informiert werden, um Ursachenforschung zu betreiben und Folgeschäden auszuschließen.

Prophylaktische Faktortherapie

Bei schwerer Hämophilie mit häufigeren Spontanblutungen ist eine Behandlung im Akutfall nicht mehr ausreichend. Dann kommt die vorbeugende Behandlung zum Einsatz. Dabei werden regelmäßig Faktorpräparate gespritzt, damit Blutungen gar nicht erst entstehen können.

Die Dosierung, d. h. wie viel und wie oft der Faktor verabreicht wird, hängt vom Schweregrad der Erkrankung, von der Lebensweise, dem durch Blutproben ermittelten Gehalt von aktivem Faktor im Blut und dem verabreichten Medikament ab. Viele erhalten ihr Faktorpräparat jeden zweiten oder dritten Tag, andere einmal pro Woche.

Schematische Darstellung einer Hämophilie-A-Behandlung alle zwei Tage

Behandlungsbericht

Wer sich selbst behandelt, füllt regelmäßig Behandlungsberichte aus und schickt sie an seinen Arzt. In diesem Bericht werden das Datum, die Chargennummer und die Dosis des Faktorkonzentrats eingetragen, das verwendet wurde. Behandlungsberichte sind wichtige Dokumente. Sie helfen dem Arzt sicherzustellen, dass die Behandlung optimal verläuft. Außerdem ist der Arzt per Gesetz (Transfusionsgesetz) verpflichtet, die verabreichten Chargen zu dokumentieren. Das ist bei einer Heimselbstbehandlung nur mit einem vollständig ausgefüllten Behandlungsbericht möglich. Damit das gut klappt, stehen neben den Substitutionskalendern in Papierform auch elektronische Systeme wie  smart medication™ zur Verfügung.

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Mögliche Komplikationen

Meist verläuft die Behandlung komplikationslos. In einigen Fällen kann es bei der prophylaktischen Behandlung vorkommen, dass die Blutgefäße dauerhaft schwer zu finden sind oder andere Probleme beim Spritzen entstehen. Dann kann ein Port-Katheter helfen. Das ist eine kleine Silikonkammer unter der Haut, die eine Verbindung zur Vene hat. Das Spritzen erfolgt dann nicht mehr in die Vene selbst, sondern in die Silikonkammer, die den Wirkstoff an die Blutbahn weiterleitet.

Eine weitere mögliche Komplikation ist die Entwicklung von Abwehrstoffen als Reaktion auf die Faktorgabe. Denn obwohl die meisten Menschen mit Hämophilie auf den Wirkstoff gut ansprechen, kann es bei einem Teil der Behandelten passieren, dass das Immunsystem Antikörper (so genannte Hemmkörper) gegen die Gerinnungsfaktorkonzentrate entwickelt. Mehr dazu findest du in dem Artikel über  Hemmkörper.

Im Alltag positiv Einfluss nehmen

Meist verläuft die Behandlung komplikationslos. In einigen Fällen kann es bei der prophylaktischen Behandlung vorkommen, dass die Blutgefäße dauerhaft schwer zu finden sind oder andere Probleme beim Spritzen entstehen. Dann kann ein Port-Katheter helfen. Das ist eine kleine Silikonkammer unter der Haut, die eine Verbindung zur Vene hat. Das Spritzen erfolgt dann nicht mehr in die Vene selbst, sondern in die Silikonkammer, die den Wirkstoff an die Blutbahn weiterleitet.

Eine weitere mögliche Komplikation ist die Entwicklung von Abwehrstoffen als Reaktion auf die Faktorgabe. Denn obwohl die meisten Menschen mit Hämophilie auf den Wirkstoff gut ansprechen, kann es bei einem Teil der Behandelten passieren, dass das Immunsystem Antikörper (so genannte Hemmkörper) gegen die Gerinnungsfaktorkonzentrate entwickelt. Mehr dazu findest du in dem Artikel über  Hemmkörper.

Gut zu wissen

  • Veränderungen im Leben und Medikationserfahrungen sind ein gutes Thema für einen der regelmäßigen Kontrolltermine. Menschen mit schwerer Hämophilie sollten mindestens zweimal im Jahr einen Kontrolltermin wahrnehmen. Bei mittelschwerer und leichter Hämophilie reicht einmal jährlich.
  • Vor Impfungen oder medizinischen Eingriffen ist es wichtig, vorab mit dem Hämophiliespezialisten zu sprechen, um die passende Faktordosis zu ermitteln.

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