Der Wechsel in die Erwachsenenmedizin

Kinder mit chronischen Erkrankungen werden von einem Kinderarzt behandelt; Erwachsene von einem Erwachsenenmediziner. In Deutschland können Kinder- und Jugendärzte kleinere und größere Patienten bis zum 18. Lebensjahr betreuen, in Ausnahmefällen auch darüber hinaus.

Da jeder Mensch eine andere Geschichte hat, ist klar, dass nicht jeder Jugendliche mit dem 18. Geburtstag einfach so zu einem Erwachsenenmediziner wechseln kann oder möchte. Der eine kann es vielleicht kaum erwarten, der andere hat vielleicht das Gefühl, noch nicht so weit zu sein.

Fit für den Wechsel

Der Übergang vom Kinderarzt zum Erwachsenenmediziner mag wie eine Formsache klingen, ist in Wirklichkeit aber das Ende eines längeren Prozesses. Dein Kinderarzt hat dich eine lange Zeit begleitet – sehr wahrscheinlich hast du ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufgebaut. Er kennt dich und deine Eltern gut und weiß um eure Sorgen und Probleme. Für manche ist es kein einfacher Schritt, diese vertraute Beziehung für einen neuen Arzt aufzugeben. Umso wichtiger ist es, dass du gemeinsam mit deinem Kinderarzt oder deinem Ärzteteam den Wechsel gut vorbereitest.

Medikamente bestellen

Zum Übergang in die Erwachsenenmedizin gehört auch, dass du lernst, Blutungen zu erkennen, dich selbst zu spritzen und deine Medikamente rechtzeitig zu bestellen. Dass du diese Verantwortung übernehmen kannst, ist wichtig. Denn anders als der Kinderarzt wird der Erwachsenenmediziner nicht anrufen, um dich an wichtige Behandlungsschritte zu erinnern. Er verlässt sich darauf, dass du den Überblick behältst. Und da Faktorpräparat nicht in jeder nächsten Apotheke bereit liegt, kann es sein, dass du im Ernstfall eine Blutung nicht behandeln kannst, wenn du nicht rechtzeitig für Nachschub sorgst.

Zuhause und unterwegs selbst behandeln

Eine Voraussetzung für das Leben in den eigenen vier Wänden ist auch, dass die tägliche Prophylaxe zu Hause und die Selbstbehandlung im Akutfall kein Problem sind. Spritzen sollte für dich Routine sein. Denn es kann passieren, dass du im Notfall Schwierigkeiten haben wirst, einen Arzt zu finden, der den Faktor verabreicht. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Manche Ärzte mögen kein Medikament spritzen, das sie nicht kennen und dessen Nebenwirkungen sie nicht einschätzen können. Andere Ärzte haben Sorge, dass die hohen Kosten für das Gerinnungspräparat das Verschreibungsbudget überstrapazieren. Denn jeder Arzt bekommt von der Krankenkasse nur eine bestimmte Summe genehmigt, über die er Rezepte ausstellen darf. Lange Rede, kurzer Sinn: Bevor du in die Welt reist, eine eigene Wohnung beziehst oder in einer anderen Stadt deine neue Heimat findest, solltest du die notwendigen Skills haben, um im Alltag und bei einer akuten Blutung gut für dich zu sorgen.

Die Checkliste

Bist du bereit für ein Leben auf eigenen Füßen? Wenn die Punkte in dieser Checkliste auf dich zutreffen, dann kann das Abenteuer beginnen.

  • Ich kenne die Notfallnummer meines Hämophiliezentrums.
  • Ich trage meinen Notfallausweis bei mir.
  • Ich fühle mich gut über meine Gerinnungsstörung informiert.
  • Ich kann mir selbst Faktor spritzen.
  • Ich kann selbst Faktor bestellen und Termine vereinbaren.
  • Ich weiß, wie mein Faktorpräparat gelagert werden muss.
  • Ich habe immer ausreichend Faktor zu Hause.
  • Ich dokumentiere meine Faktorgaben gewissenhaft.
  • Ich erkenne meine Blutungen.
  • Ich weiß, welche Aktivitäten für mich geeignet sind.
  • Für mich ist es klar, dass meine Therapie weitergeführt werden muss, auch wenn ich von Zuhause ausziehe.

Mehr Zeit für den eigenen Weg

Wenn du beim Ausfüllen der Checkliste festgestellt hast, dass einer oder mehrere der Punkte nicht auf dich zutreffen, ist das kein Grund zur Sorge. Es bedeutet nur, dass du vielleicht noch ein wenig Unterstützung brauchst auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Vielleicht fällt es dir schwer, Hämophilie als Teil deines Lebens anzunehmen. Vielleicht sind es praktische Dinge, die dich etwas unsicher werden lassen. Was auch immer es ist: Mit ein bisschen Zeit und tatkräftiger Unterstützung wirst du deinen Weg finden. Am besten sprichst du mit deinen Eltern und/oder deinem behandelnden Arzt darüber. Sie werden dir dabei helfen, die extra Portion Motivation aufzubauen, und dich bei organisatorischen Punkten unterstützen.

Noch mehr Tipps und Informationen rund um den Wechsel in die Erwachsenenmedizin bekommst du im Artikel Zeit für was Eigenes.


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