Pausen sind wichtig

Mal ganz ehrlich: Das moderne Leben verlangt viel von den Menschen. Zum Beispiel finanziellen Einsatz, Arbeitskraft, Zeit, Energie und Belastbarkeit. Gut, wer viel davon hat. Denn für viele Menschen ist die Balance zwischen Familie, Beruf, Rücklagenbildung und Selbstfürsorge eine eher fordernde Aufgabe.

Wie ein anstrengender Alltag gelingen kann? Mit viel Unterstützung durch Freunde und Familie. Mit regelmäßigen Pausen. Und mit etwas Mut. Denn der erste Schritt, um Dauerstress zu vermeiden, liegt darin, die Herausforderungen, die das Leben so stellt, anzuerkennen. Im zweiten Schritt lassen sich dann entsprechende Erholungsphasen einplanen.

Wer neben dem normalen Wahnsinn noch mit einer chronischen Krankheit wie Hämophilie umgehen muss, für den sind bewusste Auszeiten sogar noch wichtiger. Bei zu wenig Gerinnungsfaktoren im Blut hat nicht nur der Körper eine Extraaufgabe zu bewältigen. Auch für Seele und Geist kann die Hämophilie Stress bedeuten.

Das passiert bei Stress

Du kannst dir Stress als eine biochemische Reaktion in deinem Körper vorstellen, die entsteht, wenn es ein Ungleichgewicht zwischen dir und deiner Umwelt gibt. Oder anders: Stress entsteht, wenn du Aufgaben bewältigen sollst und nicht genau weißt wie.

Wenn du zum Beispiel Auto fährst und dir jemand ganz plötzlich die Vorfahrt nimmt, dann schüttet dein Körper jede Menge Stresshormone aus. Diese körperliche Reaktion hilft dir dabei, sehr schnell auf die Gefahrensituation zu reagieren und hellwach Entscheidungen zu treffen. Auch wenn du vorher vielleicht noch etwas verschlafen warst. Der Körper aktiviert seine Reserven, um dein Überleben zu sichern. Wenn die Situation vorüber ist, kehrt er zum Normalzustand zurück und hat idealerweise genug Zeit, sich von der Anstrengung zu erholen. Stress erfüllt in akuten Gefahrensituationen also eine wichtige Schutzfunktion.

Menschen, die chronischen Stress erleben, erfahren ihren Alltag als dauerhafte Bedrohung. Vielleicht weil sie von den Kollegen angefeindet werden oder finanzielle oder gesundheitliche Probleme haben. Auch manche Menschen mit Hämophilie erleben die Erkrankung als konstante Belastung, die ihnen viel abverlangt. Sie kommen aus dem Stresskreislauf nicht richtig heraus und ihr Körper findet nicht mehr zur Ruhe. Das kann auf Dauer belastende Folgen haben.

Folgen von Stress

Wer dauerhaft zu viel Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol im Blut hat, für den wird der Stress selbst zur Bedrohung. Der Körper mobilisiert seine Reserven, erhöht den Blutdruck und spannt die Muskeln an. Ohne Pause. Das kann zu Rückenschmerzen, einem geschwächten Immunsystem und einem höheren Risiko für Entzündungen wie zum Beispiel Arthritis führen. Auch Müdigkeit, Depressionen und ein größeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen können die Folge sein. Dabei reicht eine leichte Belastung durch Dauerstress schon aus. Es müssen nicht die großen Katastrophen passieren, damit der Körper unter der Daueranspannung leidet.

Um dich vor den Folgen von chronischem Stress zu schützen, ist es wichtig, den Stresskreislauf zu durchbrechen. Dabei können schon kleine Tricks helfen. Wenn du beim Arbeiten am Bildschirm zum Beispiel einmal in der Stunde deinen Augen gezielt für fünf Minuten Pause gönnst, kann das schon viel Entlastung bringen. Auch regelmäßig Zeit in der Natur tut Körper und Geist gut. Wenn du dein Anti-Stress-Programm zusätzlich durch Methoden wie Yoga, Meditation oder Tai-Chi ergänzt, wirst du dich deinem Alltag bald schon wieder gewachsen fühlen.

Verfahren zum Stressabbau

Der Spagat zwischen Beruf, Familie, Freizeit, Gesundheit und Finanzen ist anstrengend. Mit vielen kleinen Maßnahmen können wir uns im Alltag vor den negativen Folgen einer Dauerstressbelastung schützen. Hilfreiche Tipps dazu findest du im Artikel Tipps für weniger Stress im Alltag.

Den Stress vollständig umgehen oder vermeiden können wir allerdings nicht. Deshalb ist es hilfreich, wenn du deinen Alltag durch ein etabliertes Verfahren zum Stressabbau ergänzt. Dort lernst du Bewegungs-, Atem- oder Mediationstechniken, die dir auch in akuten Stresssituationen zu mehr Belastbarkeit verhelfen können. Möglichkeiten gibt es viele, wir stellen dir heute drei beliebte Verfahren vor.

Mindful-Based Stress Reduction (MBSR)

Der Molekularbiologe Jon Kabbat-Zinn entwickelte Ende der 70er Jahre ein Programm, dass es Menschen erlauben sollte, aktiv ihre Stressbewältigung zu verbessern. Ziel eines MBSR-Kurses ist es, die Teilnehmer in die Lage zu versetzen, ihre Aufmerksamkeit gezielt zu steuern und Herausforderungen mit Achtsamkeit und Gelassenheit zu begegnen. Die Teilnehmer eines MBSR-Kurses lernen, Gedanken und Gefühle anzunehmen, ohne sie zu bewerten. Dadurch können auch unangenehme Situationen besser ausgehalten werden.

Ein MBSR-Kurs dauert 8 Wochen und beinhaltet ein wöchentliches Treffen von 2,5 Stunden und einen Übungstag am Ende des Kurses. Dieser Übungstag wird schweigend durchgeführt. Darüber hinaus sollten die Teilnehmer 45 Minuten pro Tag für die formelle Übungspraxis aufbringen, die sie selbstständig zu Hause durchführen. Das Programm enthält Elemente aus der buddhistischen Zen- und Vipassana-Meditation, Yogaübungen und körpertherapeutische Elemente.

In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass MBSR unter anderem bei chronischen Schmerzzuständen, wiederkehrenden Infektionen, Angstzuständen, Schlafstörungen, Hauterkrankungen, Depressionen und Burn-Out eine positive Wirkung hat. MBSR ist übrigens auch bei eingeschränkter Mobilität gut geeignet.

Kurse in deiner Nähe kannst du über die Seite des MBSR-Verbands recherchieren. Und: Einige Krankenkassen unterstützen dich finanziell, wenn du einen MBSR-Kurs machen möchtest. Frag einfach mal nach.

Tai Chi

Tai Chi steht kurz für Taijiquan (oder auch Tai Chi Chuan). Es ist eine Kampfkunst, die im Kaiserreich China entwickelt wurde. Ursprünglich handelt es sich um eine Technik für den bewaffneten oder unbewaffneten Nahkampf. Viele Menschen weltweit praktizieren Tai Chi. Besonders in der westlichen Welt wird Tai Chi allerdings weniger als Kampfkunst und mehr als gesundheitsfördernde Sportart wahrgenommen. Wer regelmäßig Tai Chi praktiziert, kräftigt Muskeln und Koordination und fördert eine achtsame Selbstwahrnehmung.

Im Tai Chi-Unterricht werden komplexe Bewegungsabläufe erlernt. Die Bewegungen sind sanft, kraftvoll, langsam, klar und fließen ineinander über. Während des Trainings soll nicht nur der Körper gekräftigt, sondern auch der Geist entspannt werden. Obwohl die Teilnehmer meist für sich alleine üben, stellen die Bewegungen oft den Kampf gegen einen imaginären Gegner dar. Daher stammt auch der Begriff Schattenboxen. Fortgeschrittene Tai Chi-Schüler praktizieren auch Partnerübungen und Übungen mit Waffen.

Anders als bei anderen Kampfsportarten ist das Verletzungsrisiko bei Tai Chi aber eher gering, weshalb es sich auch für Menschen mit Hämophilie eignet. Sprich bei Fragen am besten vorher mit deinem behandelnden Arzt und auch mit dem Tai Chi-Lehrer. Es gibt unterschiedliche Formen von Tai Chi, wobei einige körperbetonter sind als andere.

Tai Chi gehört in China zur traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Es wird zur Behandlung bei verschiedenen Krankheiten eingesetzt. Zum Beispiel bei Kopf- und Nackenschmerzen, Bluthochdruck, Gelenkschmerzen, Osteoporose, Rheuma, Arthritis und Asthma. Tai Chi unterstützt darüber hinaus den Gleichgewichtssinn und die Verdauung und soll positive Effekte auf das Immunsystem haben. Wegen seiner gesundheitsfördernden Wirkung bezuschussen viele Krankenkassen die Teilnahme an einem Tai Chi-Kurs. Vielleicht ja auch deine.

Yoga

Yoga ist eine praktische Lebensphilosophie, die ihren Ursprung vor etwa 2000 Jahren in Indien hat. Sie hat ihre Wurzeln im Hinduismus und Buddhismus. Modernes Yoga, wie es in der westlichen Welt gelehrt wird, soll dich bei deiner persönlichen Entwicklung unterstützen (und weniger beim Erreichen spiritueller Ziele). Es soll dir dabei helfen, bewusster und im Einklang mit dir selbst zu leben und hat einen klaren Geist und einen kräftigen Körper als Ziel.

Pro Yoga-Unterrichtseinheit werden verschiedene körperliche Dehn- und Kräftigungsübungen mit meditativen Sequenzen verbunden. Es gibt viele verschiedene Yogastile und -schulen, wobei einige körperlich deutlich mehr fordern als andere. Achte bei der Auswahl darauf, dass du einen Yogastil findest, der deinem Fitnesslevel entspricht und für deine Gelenke keine übermäßige Belastung darstellt. Wenn du dir unsicher bist, ob Yoga für dich das Richtige ist, sprich vor Beginn mit deinem Physiotherapeuten oder deinem behandelnden Hämophilie-Experten. In jedem Fall solltest du auch deinen Yoga-Lehrer über deine Hämophilie informieren. Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit, bei einzelnen Übungen Alternativen für dich zu finden.

Die positiven Effekte von Yoga bei Depressionen, Angst, Schlafstörungen, chronischen Kopf- und Rückenschmerzen und anderen Krankheitsbildern ist durch Studien belegt. Auch deshalb fördern viele Krankenkassen die Teilnahme an einem Yogakurs finanziell. Frag einfach mal nach.


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