Positiver Stress, negativer Stress

Was Stress und Chili gemeinsam haben? Die Dosierung! Stress ist wie ein scharfes Gewürz. Zuviel davon macht das Leben ungenießbar. Hier und da eine kleine Prise kann aber durchaus bereichernd sein.

Stress ist eine physische und psychische Reaktion, die durch eine besondere Belastung ausgelöst wird. Das kann zum Beispiel eine Prüfung sein, ein besonderer Projektabschluss oder auch große Events im Leben wie eine Hochzeit oder ein Umzug. Stress hat in diesen Momenten nicht nur negative Effekte. Durch die Anspannung „funktionieren“ wir besser, erledigen unsere Aufgaben gezielter. Wenn wir uns auf die Herausforderung freuen und immer wieder genug Erholung bekommen, kann Stress sich sogar auf positiv auf unsere Stimmung auswirken. Das nennt man positiven Stress, oder auch Eustress.

Wenn der Stress nicht mehr aufhört

Problematisch wird es, wenn der Stress einfach nicht aufhört und wir nicht wissen, was wir tun können, um ihn aufzulösen. Das kann in einer Beziehungskrise, einer überfordernden Arbeitssituation, bei Arbeitslosigkeit oder auch bei einer chronischen Krankheit wie Hämophilie passieren. Zum Beispiel können chronische Schmerzen, wiederkehrende Untersuchungen und Zukunftsängste so genannten negativen Stress (Distress) auslösen.

Wenn du in deinem Alltag andauernd mit Herausforderungen konfrontiert bist, für die du keine Lösung siehst, leiden Körper und Seele. Das Immunsystem wird geschwächt, die Stimmung sinkt, die Wahrscheinlichkeit für Entzündungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt.

Die gute Nachricht: Du kannst mit wenigen und einfachen Tricks deinen Alltag entzerren. Und dadurch die negativen Folgen von Dauerstress reduzieren. Schon ein regelmäßiger Spaziergang im Grünen zum Beispiel kann dir im Alltag dabei helfen, mit Arbeit, Spritzen, Arztterminen und familiären Verpflichtungen besser zurecht zu kommen.

Tipps für den Alltag

In die Natur gehen

Studien haben gezeigt: Wer sich etwa drei Mal in der Woche 20 oder 30 Minuten im Grünen aufhält, kann sich nicht nur über Blätterrascheln und Vogelzwitschern, sondern auch über einen niedrigeren Cortisolspiegel freuen. Das Stresshormon wird in der Nebenrinde produziert und über die Leber abgebaut. Eine grüne Umgebung reduziert das Hormon im Blut nachweislich. Um von diesem Effekt zu profitieren, musst du übrigens nicht am Rand des Schwarzwalds wohnen. Ein schöner Stadtpark erfüllt den Zweck auch prima. Und noch viel besser: Regelmäßige, sanfte Bewegung stärkt deine Gelenke, macht sie weniger anfällig für Blutungen und hilft dir, ein gesundes Gewicht zu halten. Das ist bei Hämophilie besonders wichtig.

Ehrliche Zeitrechnung

Hast du schon mal nachgerechnet, wie lange du für deine täglichen Aktivitäten wirklich brauchst? Also nicht, wie lange du gerne brauchen würdest, sondern die tatsächliche Dauer?

Wenn nicht, hätten wir eine Übung für dich: Schreib für 24 Stunden jede Tätigkeit auf und notiere, wie viel Zeit du benötigst. Inklusive Zähneputzen, Toilettengang, Spritzen, Arzttermin, Physio, Weg zur Bahn, Wäschefalten und Essen. Überprüfe, wie viel Zeit du dir dafür zugestehst. Und dann rechne nochmal neu. Eine ehrliche Zeitrechnung ist ein sehr effektives Mittel, um Stress zu reduzieren.

Pausen fest einplanen

„Pause mache ich später!“ Das denken viele. Und stehen dann nach einem langen Arbeitstag mit surrendem Kopf in der U-Bahn auf dem Weg nach Hause. Damit du deine Pausen auch an einem arbeitsreichen Tag wirklich einhältst, solltest du sie als festen Termin einplanen. Wenn du sie nicht einhalten kannst, solltest du sie verschieben (und nicht absagen). Falls alle Stricke reißen und eine echte, richtige Pause mal wirklich gar nicht geht: Es hilft schon, wenn du zum Beispiel beim Arbeiten am Computer einmal in der Stunde deine Augen für ein paar Minuten bewusst auf etwas anderes richtest.

Aufgaben abgeben

„Ich schaffe das allein!“ –  „Ich brauche keine Hilfe!“ – „Was sollen denn die anderen denken, wenn ich meine Aufgaben nicht schaffe?“

Solche Gedanken hat fast jeder mal. Menschen mit Hämophilie vielleicht sogar noch ein bisschen öfter. Schließlich möchte niemand wegen einer chronischen Erkrankung weniger leistungsstark sein. Aber zielführend sind solche Vorsätze nicht. Denn wer dauerhaft über seiner Leistungsgrenze rudert, hat bald das Gefühl unterzugehen. Deshalb gilt: Erlaube dir, deine eigenen Grenzen wahrzunehmen und benenne sie anderen gegenüber. Wenn du merkst, dass du immer wieder zu viel auf dem Teller hast, gib Aufgaben ab oder bitte um Hilfe. Auch wenn es am Anfang vielleicht schwer fallen mag: So schützt du dich effektiv vor der Abwärtsspirale „Dauerstress“ und bleibst langfristig leistungsfähiger.

Warmes Wasser

Klingt einfach. Und das ist es auch. Warmes Wasser in all seinen Formen tut gut. Zum Beispiel in einem Glas, an dem du in deiner Pause immer wieder achtsam nippst. In einer vollen Badewanne zuhause. Unter der Dusche oder im Schwimmbad (Schwimmen ist für Menschen mit Hämophilie prima geeignet!). Wann immer du kannst, mach dir die entspannende Wirkung von warmem Wasser zu nutze.

Digital Detox

Endlich Pause. Keine Arbeit, keine Kinder, kein Besuch. Nichts. Was verführerisch klingt, wird schnell zum Vakuum, das möglichst zeitnah gefüllt werden muss. Am einfachsten geht das mit dem Handy. Mal schauen, was auf Facebook so los ist. Oder endlich mal in der Nachrichten-App lesen. Oder warum nicht gleich eine Serie auf dem Pad schauen?

Damit die Sinne und der Geist zur Ruhe kommen, ist es wichtig, dass sie nicht in jeder freien Minute mit neuem Input umgehen müssen. Was auf Facebook passiert, kann aufregen. Die neuesten Nachrichten aktivieren sehr wahrscheinlich eher dein Angstzentrum als den Gehirnteil, der für Entspannung sorgt. Und eine spannende Serie hat psychologisch ähnliche Effekte wie ein Glas Wein – sie lenkt von den Dingen, die dich eigentlich bewegen, ab. Das kann mal gut sein. Auf Dauer ist es aber keine echte Bewältigungsstrategie für Dinge, die belasten.

Es ist empfehlenswert, dem Handy feste Zeiten einzuräumen. Du könntest dir zum Beispiel mal eine Woche lang vornehmen das Handy ab 20:00 auszuschalten und es erst wieder anzumachen, wenn du mindestens schon 30 Minuten wach bist. Wenn du merkst, dass das gut tut, könntest du damit weiter machen. Oder du nimmst das Handy abends nur noch in die Hand, wenn dich jemand anruft oder du damit telefonieren möchtest. Am besten, du schaffst dir eine Armbanduhr und einen separaten Wecker an. Das hilft, damit du sowohl tagsüber als auch nachts weniger auf dein Handy schauen musst. Und zum Fernsehschauen könntest du dir einen festen Tag in der Woche aussuchen, auf den du dich freust.

Den nächsten Tag planen

Wer morgens schon Stress hat, weil er weiß, dass der Tag vor allen Dingen zu voll ist, kann sich mit einem einfachen Trick helfen. Setz dich am Abend vorher mit einem Blatt Papier oder einem Kalender und einem Stift hin. Notiere genau, welche Aufgaben du am nächsten Tag erledigen möchtest. Überprüfe, ob deine Pläne realistisch sind (es hilft, wenn du vorher die Übung zur ehrlichen Zeitrechnung gemacht hast). Wenn du merkst, deine Vorhaben sind nicht machbar, kannst du in Ruhe überlegen, ob du einzelne Erledigungen abgeben oder verschieben kannst. Vielleicht merkst du bei deinen Notizen aber auch, dass der Tag gar nicht so voll ist, wie du befürchtest hast. Das ist eine gute Voraussetzung für eine erholsame Mütze Schlaf.

Lust auf mehr Informationen? Im Artikel Mehr Gelassenheit im Alltag mit Tai Chi, Yoga und Co. findest du spannende Hinweise zu Verfahren, die dir beim Stressabbau helfen.

Wenn du das Gefühl hast, dass der Stress dich schon länger fest im Griff hat, könnte es sein, dass ein guter Moment gekommen ist, um psychologische Hilfe anzunehmen. Mehr Informationen dazu findest du im Artikel Ich bin doch kein Psycho.


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