Mit kleinen Schritten in die Selbstständigkeit

Der erste Kita- oder Schultag ist aufregend. Für alle. Ein neues Abenteuer beginnt. Für die Kinder bedeutet das: ein anderes Umfeld, Spiel, Spaß und viele, viele neue Erfahrungen. Für die Eltern ist der nächste Schritt in die Selbstständigkeit mit ungewohnten Freiheiten, Vorfreude und wahrscheinlich auch ein paar Fragen verknüpft. Wird mein Kind sich wohl fühlen? Ist es gut betreut? Wird es Anschluss finden? Kann es mithalten?

Wer ein chronisch krankes Kind zum ersten Mal in die Kita oder Schule bringt, hat wahrscheinlich noch ein paar Fragen mehr. Wie kann ich über die Krankheit verantwortungsvoll aufklären? Wie kann ich dazu beitragen, dass mein Kind in der Gruppe gut ankommt? Was passiert im Notfall?

Informationen schaffen Vertrauen

Sicher ist: Informationen sind der beste Weg, um Sorge und Unsicherheiten abzubauen. Je mehr die Erzieher und Lehrer über Hämophilie wissen, desto sicherer werden sie sich im Umgang mit deinem Kind fühlen. Am besten ist es, wenn du eine Mappe mit wichtigen Informationen zusammenstellst und sie dem Klassenlehrer oder der Kitaleitung übergibst. In der Mappe sollten die folgenden Infos enthalten sein:

  • eine Kopie des Notfallausweises
  • deine Kontaktdaten
  • die Kontaktdaten des behandelnden Arztes
  • Informationen darüber, was dein Kind mag und kann und was es auf keinen Fall darf
  • eine Notiz, in der du darauf aufmerksam machst, dass dein Kind keine intramuskulären Injektionen erhalten darf
  • Tipps, wie die Erzieher oder Lehrer die Anzeichen für eine Blutung richtig deuten
  • allgemeine Informationen zum Krankheitsbild Hämophilie
  • Hinweise, wo die Erzieher oder Lehrer sich über das Thema Hämophilie weiter informieren können

Wenn möglich solltest du außerdem eine Ration Faktorpräparat für den Notfall in der Kita oder Schule lagern. Zwar sind Lehrer oder Erzieher nicht verpflichtet, dein Kind im Notfall zu spritzen. Aber auch ein herbeigerufener Arzt oder du selbst wirst im Akutfall dankbar sein, wenn der Faktor direkt zur Hand ist.

Tipp: Check das Verfallsdatum! Das Faktorpräparat muss ausgetauscht werden, bevor es verfällt.

In manchen Fällen bietet es sich an, dass jemand aus dem Team des Hämophiliezentrums in den Kindergarten oder die Schule kommt, um über die Krankheit und die Maßnahmen im Notfall aufzuklären. Wenn du das Gefühl hast, dass so ein Besuch dein Kind unterstützen könnte, sprich am besten deinen behandelnden Arzt darauf an.

Kleinere Unfälle gehören zum Großwerden dazu

Fest steht: Ganz ohne Schrammen wird kein Kind groß. Das gilt auch für Kinder mit Hämophilie. Entscheidend ist, dass dein Kind im Fall der Fälle schnell die passende medizinische Versorgung erhält. Damit dein Kind nicht nur in der Schule, sondern auch auf dem Weg dahin optimal geschützt ist, ist es wichtig, dass es eine Kopie des Notfallausweises und deine Kontaktdaten bei sich trägt. So kann im Ernstfall der Ersthelfer schnell und gut reagieren. Übrigens sind Unfälle in Kita und Schule und auch auf dem Weg dahin über die Unfallversicherung abgesichert. Deshalb solltest du bei deinem Arzt immer angeben, wenn sich der Unfall in der Schule oder der Kita ereignet hat.

Vertrauen haben

Es ist gut, wenn das pädagogische Personal deine Offenheit und Gesprächsbereitschaft spürt. Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Erwachsenen hilft dir und deinem Kind. Das bedeutet auch: Hab Vertrauen in die Menschen, die dein Kind betreuen. Auch wenn es manchmal schwerfallen mag. Denn damit schenkst du deinem Kind etwas sehr Wertvolles: Die Sicherheit, dass das Leben auch außerhalb eurer Familie geborgene und schöne Orte bereithält. Hämophilie hin oder her. Übrigens kann es deinem Kind helfen, wenn du ein oder zwei seiner Freunde (und ihre Eltern) über die Hämophilie informierst. Sie können deinem Kind im Alltag den Rücken stärken und im Akutfall vielleicht sogar unterstützen.

Darauf solltest du aufmerksam machen

Der Kitaalltag oder Klassenunterricht hat eine feste Struktur. Das erleichtert den Ablauf und gibt den Kindern Sicherheit. Wenn dein Kind aufgrund der Hämophilie sich nicht immer an diese Struktur halten kann, solltest du das auf jeden Fall mit den Betreuern im Vorfeld besprechen. Wenn dein Kind, zum Beispiel, an mehreren Tagen in der Woche morgens gespritzt wird und deshalb verspätet in die Kita oder Schule kommt, ist es gut, den Erziehern oder Lehrern vorher zu erklären, warum das so ist und wann sie damit rechnen müssen. Auch wenn dein Kind an manchen Stellen Ausnahmen und besondere Aufmerksamkeit braucht – es ist wichtig, dass es ganz normal sein darf. Denn: Wer ständig eine Extrawurst bekommt, kommt bei den anderen Kindern vielleicht irgendwann nicht mehr ganz so gut an. Um Ausgrenzung zu vermeiden, ist es hilfreich, wenn die pädagogischen Fachkräfte aktiv dazu beitragen, dass die Hämophilie im Kita- und Schulalltag nicht die Hauptrolle spielt.

Und was ist mit Sport?

Sport ist gut für den Körper und die Seele. Das ist auch bei Hämophilie nicht anders. Deshalb spricht nichts dagegen, dass dein Kind am Kinderturnen oder Schulsport teilnimmt. Im Gegenteil: Regelmäßige Bewegung fördert die motorische Entwicklung, stärkt die Gelenke und stabilisiert den ganzen Körper. Wenn du im Vorfeld ein paar Dinge beachtest, wird Sport, Toben und Turnen für dein Kind zur positiven Erfahrung:

  • Achte darauf, dass dein Kind vor sportlichen Aktivitäten eine prophylaktische Faktorgabe erhält.
  • Informiere den Trainer/den Sportlehrer darüber, dass dein Kind Hämophilie hat und zeige, was im Notfall zu tun ist. Erkläre genau, woran eine Blutung zu erkennen ist und hinterlasse eine Notfallnummer.
  • Einige Ärzte empfehlen, bei Hämophilie auf bestimmte Sportarten zu verzichten. Kontaktsportarten wie Handball oder Fußball und Kampfsportarten gehen zum Beispiel mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einher. Welche Sportarten für dein Kind geeignet sind, hängt unter anderem vom Schweregrad der Hämophilie und der allgemeinen Fitness ab. Wenn es Einschränkungen gibt, solltest du mit dem Trainer/Sportlehrer auf jeden Fall darüber sprechen. Mehr über Sport und Hämophilie erfährst du im Artikel  Finde die richtige Sportart.
     

Ausflüge sind schön

Du stellst dir die Frage, ob dein Kind an einem Ausflug teilnehmen darf? Die Antwort ist: Ja! Jippieh! Gegen einen Ausflug spricht nichts. Sogar kleine Kinder mit Hämophilie können an Ausflügen mit der Kita teilnehmen. Idealerweise findet der Ausflug an einem Tag statt, an dem dein Kind seine Prophylaxe erhält. Wenn dies nicht der Fall ist, halte kurz Rücksprache mit dem Hämophiliezentrum, und kläre, ob der bestehende Faktorschutz ausreicht oder eine extra Faktorgabe nötig ist. Im ersten Schritt bieten sich kleinere Ausflüge an, die nur ein paar Stunden dauern. Später, wenn dein Kind schon gelernt hat sich selbst zu spritzen, steht auch einem Tagesausflug oder einem Schullandheimaufenthalt meist nichts mehr im Weg.


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