Schmerzen und Hämophilie

Akute Blutungen und chronisch geschädigte Gelenke können sehr starke Schmerzen verursachen. Ältere Menschen, die noch nicht die ganze Lebensspanne von modernen Faktorpräparaten profitieren konnten, sind davon besonders betroffen.

Eine in Deutschland durchgeführte Befragung bei 685 Betroffenen hat gezeigt, dass 34% der bis zu 17-Jährigen und sogar 96% der über 40-Jährigen zumindest zeitweise an Schmerzen leiden.*

Aber: Schmerzen lassen sich behandeln. Durch Faktorpräparate, Schmerzmittel und unterstützende Maßnahmen wie Massage und Physiotherapie.

Je früher du von deinen Schmerzen berichtest und in die Therapie einsteigst, desto größer sind die Erfolgschancen für einen schmerzfreien Alltag. „Zähne zusammenbeißen und durch“ war jedenfalls gestern. Heute stimmt: Speziell geschulte Schmerztherapeuten helfen dir dabei, mit dem Schmerz zurechtzukommen. Das gilt auch, wenn deine Schmerzen nicht im Gelenk liegen, sondern zum Beispiel infolge einer Operation oder durch viele Venenpunktionen entstanden sind.

Schmerz ist nicht gleich Schmerz

Es gibt viele verschiedene Arten von Schmerzen. Dumpf, drückend, stechend, ziehend, heiß. Sie haben alle gemeinsam, dass sie in aller Regel anzeigen, dass mit dem Körper etwas nicht stimmt und Handlungsbedarf besteht (davon ausgenommen sind zum Beispiel Wachstumsschmerzen). Die Art des Schmerzes kann dir helfen zu erkennen, wo das Problem liegt und wie du am besten vorgehst.

  • Schmerzen bei einer akuten Gelenkblutung
    Bei einer akuten Gelenkblutung schwillt das Gelenk innerhalb von ein bis zwei Stunden an, wird möglicherweise rot und warm. Außerdem fällt es immer schwerer, das Gelenk zu bewegen, obwohl mit ihm vorher alles in Ordnung war. Der Schmerz beginnt lokal, vielleicht ein bisschen diffus, und breitet sich dann als drückender Schmerz über das gesamte Gelenk aus. Das führt dazu, dass es irgendwann nicht mehr belastet werden kann. Wie du bei einer akuten Gelenkblutung erste Hilfe leistest, erfährst du in dem Artikel Dos and Don’ts nach einer Gelenkblutung.
  • Schmerzen bei einer chronischen Gelenkerkrankung
    Wenn das Gelenk bereits von vielen Blutungen angegriffen ist, dann bereitet das auch Schmerzen. Aber anders als bei einer akuten Gelenkblutung. Bei einer hämophilen Arthropathie spürst du einen lokalen, stechenden Schmerz. Der wird schlimmer, wenn du dich einige Zeit nicht bewegt hast und dann wieder aktiv wirst. Zum Beispiel morgens nach dem Aufstehen oder nach langem Sitzen. Der Schmerz lässt nach etwas Bewegung nach und wird bei ausgedehnter Aktivität wieder stärker. Chronische Schmerzen können einen Teufelskreis auslösen, der schmerzverstärkend wirkt. Deshalb ist es wichtig, dass Schmerzen von Anfang an behandelt werden.
  • Schmerzen bei einer akuten Muskelblutung
    Eine Blutung im Muskelgewebe macht sich meistens zunächst durch ein Schwächegefühl in den Armen oder Beinen bemerkbar. Vielleicht spürst du auch einen deutlichen Widerwillen, den betroffenen Körperteil zu benutzen. Weitere Anzeichen sind eine Schwellung, warme Haut an der Blutungsstelle, Muskelschmerzen, Taubheit oder Stechen. Wenn durch die Blutung und die Schwellung Druck auf einen Nerv ausgeübt wird, macht sich das durch sehr heftige, plötzlich auftretende Schmerzen bemerkbar. Wie bei allen anderen akuten Blutungen auch ist es wichtig, dass du bei einer Muskelblutung schnell reagierst und in Absprache mit deinem Arzt möglichst innerhalb von zwei Stunden eine Akutbehandlung mit dem passenden Faktorpräparat vornimmst. Dadurch wird die Blutung gestoppt, die Schwellung reduziert und auch der Schmerz lässt nach.
  • Schmerzen bei einer inneren Verletzung
    Bei Unfällen kann es in sehr seltenen Fällen zu einer Blutung im Kopf oder in den Organen kommen. Die erkennst du an sehr starken Kopf- oder Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall oder blutigem Erbrechen. In diesem Fall solltest du sofort medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.

So werden Schmerzen behandelt

Jeder Mensch erlebt Schmerzen anders. Für die erfolgreiche Schmerzbehandlung zählt deshalb vor allen Dingen, wie du den Schmerz wahrnimmst. Und nicht wie er sein sollte, wie du ihn dir wünschst oder wie ihn andere in einer ähnlichen Situation erleben. Eine gut eingestellte Prophylaxe mit einem passenden Faktorpräparat ist die Basis für die Schmerzbehandlung bei Hämophilie. Im Akutfall helfen zusätzliche Dosen, die Blutung und die Schmerzen von Anfang an in Schach zu halten. Darüber hinaus kommen bei starken und chronischen Schmerzen Schmerzmittel (Fachbegriff: Analgetika) und Rheumamedikamente (Fachbegriff: Antirheumatika) zum Einsatz.

Diese Schmerzmittel sind bei Hämophilie nicht geeignet

Viele handelsübliche Schmerzmittel und Antirheumatika nehmen Einfluss auf die Blutplättchen. Acetylsalicylsäure zum Beispiel hat eine blutverdünnende Wirkung. Sie ist unter anderem in Aspirin enthalten. Für Menschen mit Hämophilie ist Acetylsalicylsäure denkbar ungeeignet. Eine Einnahme würde das Blutungsgeschehen im Köper verschlimmern. Deshalb gilt: Schmerzen solltest du nicht im Alleingang therapieren. Sprich vor einer Medikamenteneinnahme unbedingt mit deinem Arzt.

Das tut bei Schmerzen gut

Neben der Therapie mit Medikamenten gibt es einige Dinge, die du kurz- und langfristig tun kannst.

  • Eine Massage – durchgeführt von einem Physiotherapeuten oder einer geschulten Person in deinem Umfeld – wirkt manchmal Wunder.
  • Kühlen, Hochlagern oder ein Druckverband bringen besonders bei akuten Gelenkblutungen Entlastung.
  • Auf lange Sicht kann die Physiotherapie ein wichtiger Baustein für das Schmerzmanagement sein. Hier kannst du speziell geschulte Physiotheraputen finden.
  • Wenn du dauerhaft mit Schmerzen zu tun hast, ist es außerdem hilfreich, sich mit Entspannungstechniken oder Achtsamkeitsübungen zur Schmerzbewältigung vertraut zu machen. Sie helfen dir, mit dem Schmerz umzugehen und können in akuten Situationen zusätzliche Schmerzlinderung verschaffen.
  • Wenn alles zu viel wird, dann ist Ablenkung ein bewährtes Mittel. Eine spannende Serie, ein Spiel oder ein interessantes Buch sind gut, wenn du im Kopf mal eine Pause brauchst.
  • Wer chronisch mit starken Schmerzen umgehen muss, trägt eine große Last. Ein Gespräch mit einem Psychologen hilft, damit du das mentale Gewicht nicht alleine schultern musst. Wenn du das Gefühl hast, dass dir psychologische Unterstützung guttun könnte, solltest du nicht zögern und deinen behandelnden Arzt darauf ansprechen.

Kann man Schmerzen vermeiden?

Das Risiko für akute und chronische Schmerzen bei Hämophilie lässt sich zwar nicht vollständig vermeiden, aber deutlich senken. Der beste Weg für ein Leben mit Hämophilie und ohne Schmerzen sind starke Gelenke und eine gesunde Ernährung. So verhinderst du, dass es überhaupt zu Gelenkblutungen kommt, und versorgst deinen Körper ganz natürlich mit immunstärkenden und entzündungshemmenden Substanzen. In dem Artikel So lassen sich Gelenkblutungen vermeiden erfährst du, wie du Gelenkblutungen aktiv vorbeugen kannst. In 12 Tipps für eine gesunde Ernährung haben wir zusammengefasst, wie du dich im Alltag ohne viel Aufwand ausgewogen ernährst.

* Kalnins W et al., Haemostaseologie 2014; 35(1).


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